Samstag, 12. Mai 2012

schluchzen mal anders.


von der radioaktivität merke ich bloß am ersten tag ein bisschen übelkeit. könnte aber auch am pampenessen gelegen haben, schließlich wurde dieses schon während dem OP-krankenhausaufenthalt als mein persönliches kryptonit enttarnt. kotz die wand an. 
und dann heißt es warten. darauf das die strahlung wieder unter die erlaubten grenzwerte sinkt. also warte ich und versuche anzeichen zu deuten. fallen mir die haare aus? wachsen meine zehennägel schneller? leuchte ich? ich wache jede nacht mehrmals auf und bin mir tatsächlich sicher das ich leuchte. kucke mir ungläubig meine hand an, einmal leuchtet sie ein bisschen rot. ich bin mir sicher!
 
ich komme nach hause - es kommt mir vor als ob ich wochenlang weggewesen wäre, höllenqualen gelitten hätte und nun zu hause misstrauisch alle ecken beschnüffle um mich wieder zurecht zu finden.
dabei waren es 4 tage in denen radioactivegirl gelebt hat wie im hotel. kaffee und keksteller aufs zimmer, frühstück im bett, wünsche wurden von den augen abgelesen. ich habe ein schlechtes gewissen anderen kranken gegenüber die noch viel länger und stärker krank sind als ich. und doch bin ich total krankenhausgesättigt und bemitleide mich selbst als gäbs keine steigerung mehr. man gönnt sich ja sonst nichts...

entlassen wegen guter führung. die umwandlung von radioactivegirl ist vorerst abgeschlossen. die radioaktiven superkräfte scheinen sich voll entwickelt zu haben, letzte tests werden durchgeführt deren ergebnisse bald zeigen werden ob der unermüdliche kampf erfolgreich war oder nicht. währenddessen begnüge man sich bitte mit dem ersten befund des röhrenliegens, der kommt per post. ich kämpfe mich durch 3 seiten medizinisches wirrwarr und dann finde ich ihn, den wichtigen satz: in den restlichen körperregionen keine weiteren pathologischen hypermetabolen läsionen nachweisbar.

kurze zeit später sitze ich laut schluchzend auf der couch, mit einem päckchen in der hand.
und nein, ich schluchze nicht weil ich traurig bin. und nein, das päckchen macht zwar freude, aber sooo dringend hätt ich es jetzt auch nicht gebraucht das ich dem paketlieferanten direkt um den hals falle und mit dankesreigen überschütte, der inhalt ist nicht wichtig.
es geht nämlich einzig um das gefühl das sich plötzlich nach einigen unglaublich tollen tagesmomenten einstellt: die erleichterung.
plötzlich ist sie da.
es reicht ein tag an dem alles gut ist: die sonne scheint, die luft flimmert, der sommer riecht als ob er für immer bleiben würde und zur krönung funktioniert auch noch jeder kleine futzl von dem man sich für heute gedacht hätte "och das wär jetzt aber mal toll...", wie z.B. "wenn heute der befund kommen würde und vielleicht sogar gar nicht so schlimm wäre, das wär aber mal toll" oder "wenn heute der alte liegestuhl mal stehen bleiben würde beim drauflegen, das wär aber mal...", oder "wenn der übriggebliebene schinken im kühlschrank jetzt auch noch genießbar wäre, das wär aber..." oder "wenn heut das päckchen kommen würde, das wär..."
und dann ist es da und ich realisiere mein glück.

liebes schicksal/karma/vorhersehung, danke für diesen moment. wirklich richtig ehrlich danke!

Donnerstag, 10. Mai 2012

und dann reduzieren wir das ganze ein...

irgendwann wird alles routine...
der hechtsprung hinter die bleimauer wenn es klopft (stand nicht in der aufnahmeinfo das einige sekunden gewartet wird bevor geöffnet wird??) und ich komme mir jedesmal vor als ob ich gerade verbotenerweise die dr. sommer seite im bravo gelesen hätte...
frühstück runterwürgen weil viel zu früh da, kaffeeplörre trinken und auf den placeboeffekt hoffen.
danach bis zum mittagessen wieder niemanden zu gesicht bekommen - klopklopf - hechtsprung - mittagessen: pampenbraten mit pampenbeilage, radioactivegirl's persönliches kryptonit...
am nachmittag ein paar runden drehen. also von fenster eins zu fenster zwei gehen und schauen was sich da so rumtreibt. die hälfte des blickfelds durch den dachvorsprung eingeschränkt wissen und sich ausmalen wie es wäre wenn frau jetzt mit spiderman befreundet wäre und somit heimlichen besuch bekommen könnte...
viel zu früh abendessen bekommen um überhaupt hunger haben zu können und danach das gefühl haben man sollte vielleicht schon ins bett gehen?

da schleicht sich das erste highlight ganz plötzlich an: "möchten sie ein bisschen auf den balkon frau b.?" aufgeregt wie ein kleines kind schreie ich "jajajaja" und hüpfe ungeduldig von einem bein aufs andere. da müssen vorher schlapfen gewechselt werden und laut piepsende schranken durchschritten werden (hab ich was geklaut??) und dann... dann stehe ich auf einem 5 qm großen frischluftkobel der von 5m hohen mauern umgeben ist. die aussicht beschränkt sich auf den himmel. die sonne scheint noch 3 cm herein, ich sitze auf klebrigen plastiksesseln, bekomme kaffee und kekse serviert und treffe eine leidensgenossin aus dem nebenzimmer - unterhaltung, konversation, kaffee, frischluft, sonne! was will das herz mehr. ich bin glücklich und zufrieden.

menschen, reduziert euch!

Dienstag, 8. Mai 2012

my mini-plastic-planet

quarantäne scheint so surreal das es schon wieder so schön skurril ist. und skurril ist radioactivegirl's lieblings.

meine badezimmer-abflüsse schreien mich an als ob ihnen jedes mal der letzte hauch seele entzogen wird wenn sie alles in sich aufsaugen. das machen die verdammt gut und schnell, manchmal habe ich angst ich werde mitgesaugt und gehe deshalb besser 3 schritte zurück beim betätigen der klospülung und hüpfe jedesmal wieder erschrocken zur seite wenn der duschabfluss mit einem ohrenbetäubenden "schlöööörp" das abwasser wegzusaugen beginnt. sicherheit geht vor... irgendwann erschreck ich mich bestimmt so das ich zurückschreie: "SELBER SCHLÖRP!" oder "SCHLÖRP OIDA!"

der laptop wurde mit frischhaltefolie umwickelt, schließlich könnte ich radioaktiv auf die tastatur rotzen. das belüftungssystem allerdings mag folie nicht so und deshalb wickle ich lapi heimlich an den belüftungsschlitzen wieder auf. nach dem händewaschen und vor dem rotzln.
das handy raschelt sich durch den toppits-gefrier-beutel an mein ohr und ich schwitze somit meinen radioaktiven plastikschweiß wenigstens nicht direkt in die simkarte rein.
ich rutsche gleich mal beim licht einschalten an der folie ab ("quietsch") und lande auf dem schwestern-klingel-knopf (auch in folie). passiert wohl dem gesichtsausdruck der schwester nach nicht das erste mal....

ich frage mich ernsthaft ob frischhaltefolie radioaktivität abhalten kann und warum dann keiner in japan folie verwendet? gibt es in japan keine frischhaltefolie oder toppits-gefrierbeutel mit verschlusssystem??
dann könnte man sich ja fragen warum keine frischhaltefolien-hilfslieferungen nach japan gegangen sind... ganze bäume einwickeln. häuser einwickeln. menschen einwickeln. frauen und kinder zuerst!
 
dazwischen wickle ich meine zitronen-zuckerl aus plastikpapier aus und trinke wie angeordnet viiiiel wasser aus dem plastikflasche. soll ja alles gut für die speichelproduktion sein und deshalb die radioaktivität schneller aus dem körper spülen.
raschelraschllutsch - schraubschraubschlürf. ein hoch auf die plastikindustrie!
ich werde das quietschen und knistern vermissen...


Freitag, 4. Mai 2012

wer hat angst vorm carzignom?

eine untersuchung die anzeigt ob der körper irgendwo noch andere metastasen oder tumore hat. das ist ungefähr so zweischneidig wie nackenfaltenmessungen bei ungeborenen kindern - will ich wissen ob ich in den nächsten jahren wieder an krebs erkranke? will ich, aber bitte nur wenn man mir sagt "nein"...
da ich aber diesmal einen wirklich netten arzt erwische der mir alles genau erklärt und dabei noch dazu zeit hat UND nett ist, lege ich mich bereitwillig in die röhre und halte brav ganz still, mache einen auf vorbildliche patientin.
es kann allerdings auch sein das mich dieses beruhigungsstamperl zuvor einfach glücklich und zufrieden gemacht hat und der arzt mir eigentlich viele schreckliche dinge erzählt hat. trotzdem mag ich diese drogen.
denn seither bin ich überhaupt stimmungsmäßig on top. wirklich! das röhren-ergebnis kommt montag. beunruhigt mich aber überhaupt nicht, es gab ja so tolle drogen!!
wahrscheinlich habe ich deshalb auch unterschrieben das ich weiß, das bei einer radiojodtherapie in 1% der fälle leukämie als nebenwirkung entstehen kann. (kann man ja auch schlecht streichen so einen satz, nicht so wie den "ich bin damit einverstanden das meine daten zu werbezwecken benützt werden"-satz. oder doch? verdammt, hätt ich mal lieber gefragt...)


klar ist, das am montag in die quarantäne einrückt wird und ich das alles als großes abenteuer sehe. wozu die menschliche psyche fähig ist um angst zu vermindern, es ist ja wirklich der hammer! dazu sollte es ein eigenes "es war einmal das leben" geben....
ein bisschen gruselig ist es schon, wenn man die kapseln die man schluckt aus einem bleibehälter bekommt und rundherum alles dauernd in einen "achtung-radioaktiv-müllcontainer" geschmissen wird, oder man die injektionen die einem gespritzt werden aus high-tech-bleiröhrchen kommen und der arzt danach die automatische abschirm-bleitür hinter sich schließt. dann liegt man da und wartet was passiert. leuchte ich schon wo? fallen die haare schon aus? entwickelt sich irgendwo ein super-muskel oder eine dritte hand? und dabei neugier statt angst haben, so sieht also meine reaktionswelt gerade aus. es ist schön immer wieder überrascht zu werden, danke liebe psyche, danke lieber körper, ich kenne mich mal wieder überhaupt nicht aus und komme aus dem staunen nicht heraus, aber wenn das so ist, sage ich schnell "danke es darf gern auch mal positiv sein" und geh ich dann mal freudig aufgeregt sein! hä??